· Nein zur Bezahlkarte Karlsruhe · Tauschbörse
Zwischenstand nach den ersten Tauschaktionen: Bezahlkarte immer noch scheiße!
Die ersten Tauschaktionen sind erfolgreich durchgeführt und es konnte einigen geflohenen Bargeld gegeben werden. Als nächstes müssen die Einkaufsgutscheine wieder in Bargeld getauscht werden.

„Mehr Bargeld für Geflüchtete: Tauschaktionen in Karlsruhe als Antwort auf die Bezahlkarte“
Seit der Einführung der Bezahlkarte (auch Social Card) kämpfen Geflüchtete in Deutschland mit massiven Einschränkungen im Alltag. In Karlsruhe erhalten Menschen im Asylverfahren aktuell 150 € monatlich, doch nur 50 € davon dürfen sie als Bargeld abheben [Betroffeneninterview Juli 2025]. Der Rest kann ausschließlich in Geschäften ausgegeben werden, die Visa-Karten akzeptieren, also weder auf Flohmärkten noch in vielen kleinen Läden oder beim Kauf des Deutschlandtickets.
Diese Einschränkung ist diskriminierend und unmenschlich. Gemeinsam mit anderen Städten in Deutschland haben wir deshalb ein solidarisches Tauschsystem etabliert. Der Ablauf ist einfach: Geflüchtete kaufen z. B. Aldi-Einkaufsgutscheine mit ihrer Karte. Wir geben ihnen dafür den Gegenwert in Bargeld. Abschließend tauschen wir die Einkaufsgutscheine wieder mit Bürger*innen wieder gegen Bargeld. Ihr alle könnt somit Teil der Unterstützung werden. Es ist ein solidarisches Nullsummenspiel, das den Betroffenen hilft, sich ein selbstbestimmteres Leben zu ermöglichen.
Wie wir gestartet sind – und wo wir jetzt stehen
In Karlsruhe haben wir uns in den vergangenen Monaten regelmäßig getroffen, um die Aktion aufzubauen. Zunächst organisierten wir erfolgreiche Soli-Veranstaltungen und Spendenaufrufe, um ein Startkapital zu sammeln. Parallel dazu haben wir unzählige Orte besichtigt, die sich für die Tauschaktionen eignen könnten.
Leider zeigt sich auch hier: Viele Orte unterstützen uns ideell, trauen sich aber aus Angst vor staatlichen Repressionen nicht, ihre Räume zur Verfügung zu stellen. Das verdeutlicht einmal mehr, wie viel Druck die aktuelle Regierung auf reine Menschlichkeit und praktische Solidarität ausübt.
Falls ihr einen Ort kennt oder betreibt, an dem Geflüchtete sicher und geschützt Gutscheine gegen Bargeld tauschen können, meldet euch bitte bei uns per Mail an nein-zur-bezahlkarte-karlsruhe@riseup.net.
Flyer, Sprachen, Vertrauen
Dank der Unterstützung vieler Muttersprachler*innen konnten wir Flyer in acht Sprachen erstellen und verteilen. Unter anderem vor Unterkünften in der Felsstraße und der LEA in der Durlacher Allee. Bereits fünf erfolgreiche Tauschaktionen haben stattgefunden, bei denen etwa zwei Dutzend Geflüchtete Bargeld erhalten haben. Die Aktionen werden jeweils von mehreren solidarischen Personen begleitet, darunter auch Menschen mit eigener Fluchterfahrung.
Immer wieder begegnen wir aber auch Misstrauen: Einige Geflüchtete haben Sorge, wir könnten Profit aus den Gutscheinen schlagen oder sie über den Tisch ziehen. Wir vermuten, dass das an rechter Propaganda liegt, wie sie von der Jungen Freiheit betrieben wird, die uns als "Mafia" bezeichnet [Rohbohm, 2024]. Oder auch aus Berichten aus den 90ern, in denen die Bezahlkarten schon einmal krachend gescheitert sind und bei denen es damals Gerüchte von Bargeldtausch gegen Provision gab. Wir konnten dazu keine Beweise außer der Aussage der CDU-Politikerin Beate Hübner finden. Deshalb betonen wir klar: Niemand aus unserer Gruppe verdient auch nur einen Cent an diesen Aktionen. Sie sind rein solidarisch, getragen von dem Wunsch, das Leben von Menschen in prekären Situationen ein Stück leichter zu machen.
Viele Geflohene äußern uns gegenüber die Sorge, sich durch die Tauschaktion strafbar zu machen. Dabei haben sowohl die Polizei München, die Staatsanwaltschaft Regensburg als auch die BaFin bestätigt: Die Aktionen sind derzeit nicht strafbar [Staatsanwaltschaft Regensburg & BaFin, 2024]. Dass sie kriminalisiert werden sollen, steht allerdings bereits im Koalitionsvertrag der Bundesregierung [CDU/CSU & SPD, 2025]. Ein weiterer Grund, warum unsere Räume geschützt bleiben müssen. Wir speichern keine Daten, machen keine Fotos und sorgen für größtmögliche Sicherheit.
Was die Bezahlkarte wirklich bedeutet
Die Probleme mit der Bezahlkarte sind vielfältig: Karten funktionieren nicht, Überweisungen verzögern sich, Menschen bekommen kein Geld. Das war bereits aus anderen Städten bekannt und wiederholt sich nun in Karlsruhe. Solche Probleme erhöhen auch den bürokratischen Aufwand mit der Bezahlkarte. Doch selbst im reibungslosen Ablauf bedeutet die Karte Mehraufwand für die Städte und Kommunen. So sieht die Karte beispielsweise sogenannte „Whitelists“ für bestimmte Konten vor. Etwa für Überweisungen an Sprachschulen oder für Bahntickets. All das bedeutet zusätzlichen bürokratischen Aufwand für ohnehin belastete Menschen [FRBW, 2025; Aust, 2025].
Das Sozialgericht Hamburg hat entschieden: Die 50-Euro-Grenze darf nicht pauschal gelten, sondern muss im Einzelfall geprüft werden. Auch dies bedeutet Mehraufwand und damit auch Mehrkosten. Deshalb haben in NRW, wo die Entscheidung der Einführung nicht von oben herab entschieden wurde, sondern den Kommunen überlassen wird, bereits 129 Kommunen (Stand Juli 2025) widersprochen [FRNRW, 2025]. Die meisten Geflüchteten haben längst Girokonten, weshalb die Kommunen nur Nachteile statt Vorteile in den Karten sehen. Das ist auch die Argumentation eines offenen Briefes an die Heidelberger Bürgermeisterin Jansen von mehr als 100 Unterstützer*innen [Bezahlkarte-stoppen, 2024].
Die Bezahlkarte ist ein teurer, repressiver Irrweg. Schätzungen zufolge kostet sie 68 Millionen Euro im Jahr [GGUA, 2025]. Wenn wir schon bei den Kosten sind, lasst uns noch zwei Zahlen in den Raum werfen: 100 Milliarden Euro Kosten entstehen der BRD jährlich durch Steuerhinterziehung [HBS, 2012]. 6 Milliarden Euro Kosten entstehen der BRD jährlich für das gesamte Asylsystem [BPB, 2024]. Und trotzdem wird lieber auf diejenigen eingetreten, die am wenigsten haben. Darum: Wenn hier wer ne Bezahlkarte bräuchte dann jawohl, Superreiche!
Wie ihr helfen könnt
Wir stehen erst am Anfang. Als Nächstes möchten wir Orte schaffen, an denen Bürger*innen regelmäßig Gutscheine abholen können. In München etwa funktioniert das über Cafés, in denen Menschen spontan während der Öffnungszeiten vorbeikommen können. Auch Cater*innen, die ohnehin regelmäßig bei bestimmten Supermärkten einkaufen, könnten Teil des Netzwerks werden.
Wenn ihr Ladenbetreiber*in, Cafebesitzer*in, Cater*in, Verein oder anderweitig organisiert seid und regelmäßig Gutscheine abnehmen wollt – meldet euch gerne per Mail an nein-zur-bezahlkarte-karlsruhe@riseup.net bei uns.
Private Personen bitten wir noch um etwas Geduld – Orte für den Tausch werden aktuell sukzessive aufgebaut.
Fazit
Die Tauschaktionen in Karlsruhe wie auch in vielen anderen Städten sind gelebte Solidarität. Sie helfen Geflüchteten in einer ohnehin belastenden Situation und setzen ein Zeichen gegen die brutale Symbolpolitik der Bezahlkarte. Denn wer Menschen in Not das Bargeld kürzt, löst keine Probleme, sondern schafft neue.
Say it loud, say it clear: Refugees are welcome here!
Quellen
- Rechte Propaganda: Bezahlkarten-Mafia: Wie linke Netzwerke die Asylpolitik untergraben
- Legalität https://www.ggua.de/aktuelles/einzelansicht/bezahlkarten-tausch-ist-keine-straftat/
- Kaolitionsvertrag https://www.koalitionsvertrag2025.de/sites/www.koalitionsvertrag2025.de/files/koav_2025.pdf
- Bürokratischer Aufwand https://fluechtlingsrat-bw.de/pressemitteilungen/kritik-an-buerokratiemonster-bezahlkarte-bricht-nicht-ab/ & https://www.zdfheute.de/politik/deutschland/bezahlkarte-asylbewerber-nrw-100.html
- Heidelberger offener Brief: https://bezahlkarte-stoppen.de/de/
- Kosten der Bezahlkarte: https://www.ggua.de/fileadmin/downloads/tabellen_und_uebersichten/Kosten_der_Bezahlkarte.pdf
- Kosten durch Steuerhinterziehung https://www.boeckler.de/de/magazin-mitbestimmung-2744-steuerhinterziehung-kostet-100-milliarden-5391.htm
- Kosten des Asylsystems https://www.bpb.de/themen/migration-integration/zahlen-zu-asyl/265776/asylbedingte-kosten-und-